FÜR DICH: Deine 3-Schritte-Abstillanleitung

Vom Umgang mit kindlichen Emotionen im Abstillprozess – oder: Kann ich abstillen, ohne dass mein Kind weint?

Eines der größten Hindernisse beim Abstillen ist die Schwierigkeit im Umgang mit den kindlichen Emotionen, die als Reaktion auf die Verweigerung der Brust auftreten. Würden alle Kinder das Abstillen friedlich und gut gelaunt akzeptieren, ich wüsste nicht mal, ob es dann für das Abstillen überhaupt einen Begriff gäbe. Vermutlich würden alle Mamas einfach irgendwann nicht mehr stillen und das wäre dann alles, was es dazu zu sagen gäbe.

So ist es in der Realität leider selten. Abstillen geht mit großen Gefühlen einher – beim Kind und der Mama. Das Kind äußert die Gefühle oft mit viel Intensität und die Mama ist oft mit den dann auftretenden eigenen Gefühlen überfordert. Das ist menschlich und zeigt die große Liebe zwischen Mama und Kind! Nur macht es das Abstillen nicht leichter.

Was also tun? Neben der kindgerechten und bindungsorientierten Vorgehensweise spielt unsere Sicht auf die kindlichen Emotionen eine große Rolle. Im Blogartikel verrate ich dir, was das Abstillen auf psychischer Ebene mit deinem Kind macht und warum dies sogar positive Aspekte haben kann.

1. Das Weinen

Das Weinen des eigenen Kindes ist nachgewiesen der schrecklichste Klang für das menschliche Ohr – und das ist gut so! Es ist eine gut entwickelte Verhaltensweise, die dafür sorgt, dass Bezugspersonen sich kümmern. Das Weinen eines Kindes in Verbindung mit prompt und fürsorglich reagierenden Bezugspersonen sorgt für Bindung. Insofern ist es wichtig, dass auf das Weinen eines Kindes immer reagiert wird. Es darf mit seinen Gefühlen niemals allein gelassen werden, denn es braucht für einige Jahre seine Eltern, um diese Gefühle auf gesunde Weise zu verarbeiten.

Weinen heißt jedoch nicht, dass dem zugrunde liegenden Wunsch entsprochen werden muss. Das geht in vielen Fällen auch nicht. Wir alle kennen Beispiele für kindliche Verzweiflung, wenn der Ball in die Luft geworfen wird und nicht in der Luft stehen bleibt, wenn Mama etwas isst, was das Kind essen wollte (wovon Mama natürlich nicht wusste..), wenn der schöne Vogel wegfliegt, Papa die Banane zu weit geschält hat, wenn man nicht zum Mond fliegen oder die Sonne ausknipsen kann… Es ist unmöglich, jedem Wunsch nachzukommen und das ist auch nicht nötig.

In einer Familie prallen verschiedene Bedürfnisse aufeinander. Nicht immer kann jedem Bedürfnis sofort wunschgemäß entsprochen werden. Während elementare Bedürfnisse wie Hunger oder Durst stets zeitnah zu erfüllen sind, gibt es Bedürfnisse, bei denen ein Kind die Erfahrung von Aufschub oder anderweitiger Bedürfniserfüllung machen darf. Das ist wichtig, denn als Familie bildet man das soziale Lernfeld des Kindes. Hierbei geht es nicht darum, künstlich Situationen zu schaffen, „damit das Kind lernt“. Es geht darum, natürliche Bedürfniskonflikte auf gesunde Weise zu lösen und dabei auch die Bedürfnisse der Eltern zu berücksichtigen und wertzuschätzen.

Was bedeutet dies nun für das Abstillen? Wenn der Wunsch zum Abstillen bei der Mama auftritt und eventuell auch schon eine Zeitlang besteht, kommt irgendwann der Moment, an dem sie spürt, dass sie wirklich nicht mehr will. Es ist wichtig, dies anzuerkennen und sich frühzeitig damit auseinander zu setzen, damit die aufkommenden negativen Gefühle nicht die Beziehung zum Kind belasten. Hier darf eine Mama erkennen, dass ihre Bedürfnisse an der Stelle sehr wichtig sind und ein Weg gefunden werden darf, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind. Stillen ist kein Bedürfnis an sich – es erfüllt aber auf sehr angenehme Weise viele Bedürfnisse gleichzeitig und wird vom Kind oft auch mit einer emotionalen Bedeutung aufgeladen. Gleichzeitig gibt es wunderbare Wege, die Bedürfnisse des Kindes anders zu stillen und dem Kind dabei viel Wertvolles mit auf den Weg zu geben.

2. Vergeblichkeiten

Im Laufe des Lebens stoßen wir alle an etliche Vergeblichkeiten. Sowohl im Kleinen (z.B. das ausverkaufte Lieblingseis, weswegen wir extra zum Laden gegangen sind), wie im Großen (z.B., dass geliebte Personen uns verlassen können). Ein kleines Kind kommt ohne Bewusstsein für Einschränkungen und Grenzen zur Welt. Auf dem Weg des Aufwachsens erlebt es sehr viel Frustration beim Erkennen dieser Vergeblichkeiten. Es macht die Erfahrung, dass es Dinge gibt, die es nicht ändern kann – so sehr es sich dies auch wünscht. Oft geht dies einher mit überwältigenden Emotionen, mit denen nicht wenige Eltern überfordert sind. Dabei sind es die Eltern, die ihrem Kind mit viel Zeit und Geduld den Weg hinaus aus diesen Emotionen zeigen bis das Kind die nötige Reife erlangt, zu Selbstbeherrschung und selbstständiger Gefühlsverarbeitung zu kommen. Das ist so wertvoll! In der Kindheit werden grundlegende Strategien für den Umgang mit Vergeblichkeiten und Frustration entwickelt. Wir haben es als Eltern in der Hand, unseren Kindern einen gesunden Umgang mit Emotionen zu zeigen, durch den es sein ganzes Leben lang profitieren kann. Wie wertvoll ist es, wenn ein Kind in der Kindheit gelernt hat, wie es mit Widrigkeiten des Lebens umgehen kann?

Was bedeutet dies für das Abstillen? Oft haben Mamas ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich die Schuld für die Tränen des Kindes geben. Dabei ist es hilfreich, eine andere Perspektive einzunehmen. Die Kindheit und der geschützte Raum der Familie sind die perfekten „Übungsplätze“ für das Leben, das ein Kind irgendwann selbstständig bestreitet. Mit Vergeblichkeiten konfrontiert zu werden und einfühlsam dabei begleitet zu werden, legt den Grundstein für Widerstandsfähigkeit im Erwachsenenleben. Das Abstillen ist eine große Sache für alle Beteiligten – umso nachhaltiger der „Lerneffekt“ für den Umgang mit großen Gefühlen. Das darf sein. Durch die richtige Begleitung des Kindes kann es wertvolle Erfahrungen für den Umgang mit großen Veränderungen sammeln. Die Tränen tun dem Mamaherz trotzdem weh (was völlig in Ordnung ist!). Ein schlechtes Gewissen darf allerdings losgelassen werden.

3. Frustration und Trauer

Wird ein Wunsch nicht erfüllt, führt das bei Kindern aufgrund ihrer natürlichen Unreife zu Frustration. Frustration ist etwas wirklich Wertvolles. Es verschafft uns Antrieb, es bringt uns voran und gibt uns die nötige Motivation für unsere Vorhaben. Kein Kind wächst auf, ohne Gefühle von Frustration erlebt zu haben. Frustration ständig zu umgehen, ist für ein Kind nicht zielführend. Frustration überhand nehmen zu lassen allerdings auch nicht. Es ist eine Kunst, zu erkennen, wann Eltern die äußeren Umstände für ein Kind ändern sollten und wann sie ihnen helfen sollten, Dinge zu akzeptieren. Beides darf sein und beides sollte ausgewogen sein.

Aufgrund fehlender Impulskontrolle kann Frustration in heftige Wutanfälle münden. Wie helfen wir nun Kindern beim Umgang mit ihrer Frustration? Zunächst ist es wichtig, zu erkennen, dass an einem Kleinen Kind, das seinen Willen hat, nichts falsch ist. Wie oben beschrieben, ist es dennoch wichtig, dass Erwachsene es in die Vergeblichkeiten des Lebens einführen. Einem Kind beim Umgang mit Frustration zu helfen, ist kein logischer Vorgang, sondern ein emotionaler. Es muss fühlen, dass etwas nicht passieren wird. Wir müssen ihm helfen, ein Nein emotional zu akzeptieren. Es kann nur akzeptieren, dass etwas vergeblich ist, wenn es sich dazu bewegen lässt, Trauer, Enttäuschung und Verlust zu spüren. Das „sauer“ wird zu „Trauer“. Gefühle der Frustration sollten übergehen in Gefühle der Vergeblichkeit. Tränen der Trauer (nicht zu verwechseln mit Tränen der Wut) signalisieren, dass ein Kind nun dabei ist, eine Vergeblichkeit zu verarbeiten. Akzeptiert hat es die Situation an dieser Stelle bereits. Durch das Verwandeln der emotionalen Energie von Frust zu Trauer, kommen kleine Kinder an den Punkt, Vergeblichkeiten zu akzeptieren und zur Ruhe zu kommen. Sie werden resilienter und erfindungsreicher im Umgang mit Vergeblichkeiten.

Was bedeutet dies nun für das Abstillen? Eine emotionale Reaktion des Kindes kann mehrere Ausprägungen haben – es kann traurig oder wütend reagieren. In beiden Fällen sind unterschiedliche Vorgehensweisen ratsam. Beiden gleich ist, dass das Äußern der Gefühle eine gute Gelegenheit für das Erlernen des Umgangs damit gibt. Gerade bei etwas so Emotionalem wie dem Stillen. Die richtige Vorbereitung der Eltern auf die Gefühlsstürme ist wichtig und bieten den Eltern eine gute Gelegenheit, mit ihrem Kind positive Erfahrungen beim Umgang mit Gefühlen zu sammeln. Oft kommen im Alltag Gefühle der Frustration unerwartet, sodass Eltern eventuell „kalt erwischt“ werden und gerade nicht die Ressourcen haben, gut zu begleiten. Beim Abstillen ist es anders – dies kann sehr gut geplant und vorbereitet werden.

4. Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein

Ein nicht zu unterschätzender Aspekt des Abstillens ist das Entwickeln der Fähigkeit, andere erfüllende Wege für sich zu finden. In der Kindheit wird dies von den Eltern angeleitet, da kleine Kinder noch keinen Überblick über Möglichkeiten haben und Auswirkungen von Alternativen nicht abschätzen können. All dies kommt mit der Reife und den Erfahrungen, die sie mithilfe ihrer Eltern machen konnten.

Auf das Abstillen bezogen bedeutet dies, dass ein Kind sich zunächst nicht vorstellen kann, ohne Brust im Mund einschlafen zu können. Es sieht keine Alternativen, die es ausprobieren könnte und ist mit dem Fühlen seiner Emotionen beschäftigt. Durch gute Begleitung und Anleitung findet es Möglichkeiten, auf andere Weise ein- und weiterzuschlafen. Wenn die Stillveränderung vollzogen ist und ein Kind die Veränderung vollständig akzeptiert hat, ist es um eine Erfahrung reicher: Es hat erfahren, dass es Dinge bewältigen kann, die es erst für nicht bewältigbar gehalten hat. Es hat erfahren, dass es Wege finden kann, sich zu helfen. Es hat erfahren, dass Veränderung und große Emotionen bewältigbar sind und es sich anpassen und zufrieden werden kann. Es kann aus diesem Prozess viel Selbstbewusstsein für künftige Herausforderungen schöpfen. Sicherlich auf unbewusster Ebene, aber es wirkt dennoch. Es resultieren viele gewinnbringende Erfahrungen aus einem gut begleiteten Abstill- bzw. Stillveränderungsprozess.

5. Resilienz

Über Resilienz habe ich in diesem Artikel bereits geschrieben. Es ist die Fähigkeit, mit Widrigkeiten, Vergeblichkeiten und emotionalen Krisen im Leben auf gesunde Weise umgehen zu können. Resilienz bildet sich mit Erfahrungen in diesen Bereichen aus. Lernen Kinder einen gesunden Umgang mit Vergeblichkeiten und ihren Emotionen, wappnet sie das für ihr Erwachsenenleben. Die Erfahrungen, die Eltern ihren Kindern hier mitgeben können, ist ein sehr wichtiger Schatz fürs Leben. Bei der Ausbildung der Resilienz ist es allerdings unabdingbar, Kinder in geschütztem Rahmen auf Widrigkeiten und Vergeblichkeiten stoßen zu lassen. Wie schon geschrieben, geht es ausdrücklich NICHT darum, dies zum Erziehungsstil zu erklären und bewusst zu setzen, sondern ein Augenmerk darauf zu haben, ob Situationen, die Vergeblichkeiten verursachen, auch sinnvoll genutzt werden. Das bedeutet, dass Kinder nicht von ihren Emotionen abgelenkt werden, diese nicht kleingeredet oder sofort gut gemacht werden (im Sinne von: Du bist traurig, weil dein Spielzeug kaputt gegangen ist? Komm wir essen ein Eis).

Bezogen auf das Abstillen bedeutet dies, dass Stillmamas Kindern die Erfahrung des Abstillens zumuten dürfen. Dass sie ihrem Kind einen geschützten, liebevollen und gut begleiteten Rahmen geben, innerhalb dessen Wege gezeigt werden, mit Emotionen umzugehen, andere Strategien zu entwickeln und Akzeptanz für Vergeblichkeiten entstehen lassen zu können. Sind Mama und Kind auf gute, gesunde Weise durch den Prozess gegangen (was – nochmal – nicht heißt, dass das Kind keine Emotionen gehabt hat), sind sie um einen sehr wertvollen Erfahrungsschatz weiter.

Fazit

Auf die Frage, ob du abstillen kannst, ohne dass dein Kind weint, ist die eindeutige Antwort: Jein. Natürlich gibt es Kinder, die ohne Tränen abstillen und es sind tatsächlich nicht wenige. Gleichzeitig hoffe ich, dass du nach dem Lesen dieses Artikels keine Sorgen mehr oder ein schlechtes Gewissen hast, wenn dein Kind seine Gefühle durch Tränen zeigt – das ist wertvoll!

Das Thema Bindung beim Abstillen habe ich aufgrund der Länge des Artikels völlig herausgelassen. Ich möchte hierbei nur anmerken, dass eine Stillveränderung sich auch bindungsstärkend erweisen kann, wenn auf wichtige Dinge geachtet und das Kind gut begleitet wird.

Wie du den Abstillprozess für dein Kind richtig anleiten, kommunizieren und begleiten kannst, ist ein großes Thema. Hierfür habe ich Entspannt Abstillen entwickelt – Das Onlineprogramm, bei dem du alles über bindungsorientiertes und liebevolles Abstillen lernst und dabei auch gut begleitet wirst.

Dem Feedback meiner bisherigen Kursteilnehmerinnen nach sind die wichtigsten Elemente des Programms der Wissensteil (Onlinekurs) und die enge Begleitung durch mich während des gesamten Veränderungsprozesses (via Zoom-Meetings und Facebookgruppe). Dadurch fühlst du dich jederzeit sicher und kannst für dein Kind der Fels in der Brandung sein, den es braucht.

Wenn du mehr über Entspannt Abstillen erfahren willst, trage dich gern in die unverbindliche Warteliste ein. Das Programm startet im September und wird für eine Woche buchbar sein. Wenn du auf der unverbindlichen Warteliste stehst, verpasst du nichts.

Ich freue mich auf dich!

Deine Anja

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Hey, ich bin Anja!

Als Expertin für Abstillen und bindungsorientiertes Aufwachsen helfe ich dir, kindgerechte und liebevolle Wege für die Herausforderungen mit deinem Kind zu finden.